15. September 2025
Vier Tage sind genug. Wir packen zusammen, verabschieden uns von den Deutschen, geben unser heutiges Ziel – Biblián bzw. das Santuario de la Virgen de „El Rocío“ – in Google Maps ein und fahren los. Doch weit kommen wir nicht. Keine zehn Minuten auf der Autobahn stockt der Verkehr, und plötzlich fahren uns Autos und Lkws auf unserer Spur entgegen. Auf meine Frage, was los sei, kommt die knappe Antwort: Bloqueo. Grund dafür ist die Entscheidung der Regierung, die den Dieselpreis letzten Freitag von 1,797 auf 2,80 Dollar zu erhöhen hat. Echt jetzt? nicht schon wieder!
Polizei ist bereits vor Ort. Wir müssen alle wenden und zurückfahren. Bei einer Buswerkstatt versuchen wir unser Glück und dürfen uns hinstellen und abwarten.
Also machen wir unsere Brotzeit, mit einem feinen Fruchtsalat. Wir sind gerade am Mampfen, als plötzlich der Verkehr wieder zu laufen scheint. Wir bedanken uns und fahren weiter.
Doch keine fünf Kilometer später: die nächste Blockade. Diesmal reihen wir uns in die Kolonne ein und beobachten das Ganze aus sicherer Entfernung.
Dann werden die Polizisten aktiv, es kommt zu einem Großeinsatz, die Lkw werden weggefahren und wir haben freie Fahrt.
In Biblián besuchen wir das beeindruckende Santuario de la Virgen del Rocío, das hoch am Hang des
Monte Zhalao thront. Der gotisch inspirierte Bau entstand Anfang des 20. Jahrhunderts nach einer wundersamen Marienerscheinung. Heute ist es einer der wichtigsten
Wallfahrtsorte der Region...spektakulär gelegen und über viele Stufen erreichbar.
Beim Bau des Santuario de la Virgen del Rocío wurde die Kirche über viele Jahre hinweg immer weiter ausgebaut. Dabei dient der natürliche Felsen als Teil der Kirchenwand.
Getragen wird das Bauwerk von insgesamt 49 Granitsäulen, die sowohl das Hauptkuppelgewölbe als auch die beiden großen Seitenschiffe stützen. Der Stil ist neogotisch, geprägt von reich geschnitztem Stein und zahlreichen Bögen. Besonders eindrucksvoll ist das Innere, in dem die Felswand sichtbar bleibt, vor allem hinter dem Hauptaltar, was dem Raum eine einzigartige, naturverbundene Atmosphäre verleiht.
Zum Schlafen fahren wir hinunter ins Dorf und stellen uns auf einen noch unbebauten Platz.
16. September 2025
Die Straße kennt wieder nur zwei Richtungen: hoch oder runter. Einmal war die Steigung so steil, dass unser Truck sie nur im ersten Gang bewältigte – krass!
Dichter Nebel verhinderte zudem ein zügiges Vorankommen. Licht scheint für viele Autofahrer ein Fremdwort zu sein. Die ausgewählten "Baños Temazcales" haben nur am Wochenende geöffnet. Also stellen wir uns neben den Fußballplatz und verbringen dort eine ruhige, wenn auch regnerische und kalte Nacht.
Unsere Nachbarin melkte gestern Abend und heute Morgen fleißig ihre Kühe.
Heute war auch ihr Mann dabei. Kaum schaue ich aus der Dachluke, winkt er wie verrückt und fuchtelt mit den Händen: „Foto, Foto!“ – na klar, da lasse ich mich nicht zweimal bitten.
Die Milch wird hier übrigens noch so abgeholt wie bei uns vor 35 Jahren, ganz ohne den ganzen Auflagen-Dschungel, der die Bauern heute heimsucht.
17. September 2025
Vulkan Chimborazo zum Zweiten...
denn 2016 hatten wir schon einmal unser Glück versucht, kamen damals aber nicht mal in den Nationalpark: Wegen Schnee, geschlossen.
Schon vor acht starten wir heute den Motor, wir ahnen, dass uns der heutige Ausflug ganz schön schlauchen wird.
Ziel: die Laguna Condor Cocha auf 5100 m, direkt gegenüber vom Vulcano Chimborazo.
Kaum gestartet, erwische ich einen Zipfel vom Vulkan. Jede noch so kleine Felswand werde ich natürlich sofort abgelichtet, denn dass wir den Riesen heute wirklich zu Gesicht bekommen, glauben wir eher nicht.
Nach einer halben Stunde erreichen wir den Parkeingang. Bruno übernimmt die Registrierung – der Eintritt ist übrigens kostenlos.
Danach dürfen wir hinauffahren: acht Kilometer, für die wir ganze fünfzig Minuten brauchen. Die Piste ist alles andere als gut, doch wer will sich schon beschweren, wenn man keinen Eintritt
zahlen muss?
Dichter Nebel liegt wie ein Schleier über der Landschaft.
Auf 4.848 m ü. M. heißt es: Wanderschuhe und Klamotten an und los auf die 1,5 Kilometer hoch zum Refugio und weiter zur Laguna.
Wie viele Verschnaufpausen wir eingelegt haben? Keine Ahnung, einige. Die Sicht: fast gleich null.
Doch wir beißen uns durch und stehen nach 50 Minuten an der großen Frage: „Wo ist sie denn nun, die Lagune?“
Antwort: Hier – irgendwo unter dem Nebel.
Aber hey – 5100 m ü. M.! 👌👌👍👍
Der Rückweg geht fast von alleine. Gesehen haben wir den Chimborazo trotzdem nie – er blieb die ganze Zeit in Nebel gehüllt.
Der „Friedhof des Chimborazo“ – ein stiller Ort zur Erinnerung an verunglückte Bergsteiger. Bis auf zwei konnten alle geborgen und ins Tal gebracht werden.
Bild aus dem Internet , so wissen wir wenigstens, was wir verpasst haben. 😉😉😉
Zurück beim PeMo, fahren wir direkt hinunter, mein Kopf brummt!
Auf der E35 düsen wir bis zur Laguna de Yambo, wo wir, hoffentlich, ein ruhige Nacht verbringen werden.
18. September 2025
Die Nacht war ruhig, nur am Morgen ertönte laute Musik über die Lagune.
Die kurze Rampe hinauf zur Autobahn zwingt unseren Truck in den ersten Gang. Der Motor ist noch kalt, die Steigung unerbittlich.
Wir nehmen Kurs auf die Laguna Quilotoa, ein großer Umweg, der uns erneut über 4000 Meter führt. Oft quält sich der MAN nur im
dritten Gang die Hänge hinauf.
Auf den 65 Kilometern zählen wir 114 Hunden. Sie sitzen oder liegen am Straßenrand, geduldig, und warten auf die Reste, die aus vorbeifahrenden Autos und Lkws
geworfen werden.
Die Landschaft liegt im Winterschlaf, wieder ein Patchwork ohne Ende. Felder und Weiden wie grob zusammengenähte Flicken, in erdigen Tönen.
Wir fahren am Cañon Toachi vorbei und machen einen kurzen Halt.
Gegen vierzehn Uhr erreichen wir die Lagune. Normalerweise zahlt man 1,50 $ fürs Parkieren, doch im Wärterhäuschen sitzt niemand. Ein „SIGA“-Schild winkt uns durch. Wir rollen weiter in die kleine Ortschaft, die fast ganz aus Restaurants und Souvenirläden besteht. Auf dem großen Parkplatz suchen wir eine halbwegs ebene Stelle und machen uns sofort auf den Weg hinauf zur Lagune. Man weiß nie, wann sie im Nebel verschwinden wird.
Wieso eigentlich ziehen, nachmittags, immer Nebel, oder Regen über die Berge?
Von Osten drückt feuchte Luft aus dem Amazonas herauf, von Westen bringt der Pazifik zusätzliche Feuchtigkeit. Die Sonne erwärmt die Berghänge, die Luft steigt auf, kühlt in der Höhe ab und staut sich an den gewaltigen Anden. So verwandelt sich die klare Sicht des Morgens regelmäßig in ein Spiel aus Wolken, Dunst und Wasser.
Bruno geht zurück zum Pepamobil, ich warte ab. Gegen fünfzehn Uhr ist es soweit, langsam zieht der Nebel hinab über das Wasser und hüllt die Lagune in ein geheimnisvolles Grau.
Es wird kalt, stark bläst der Wind über die Lagune, auch ich mache mich auf zum Pepamobil. Unterwegs halte ich an und fotografiere ein Lama. Sofort taucht eine ältere Frau auf und verlangt einen Dollar dafür. Ich kehre alle Taschen nach außen, außer einem Taschentuch ist alles leer. Es gibt kein Geld!
Als ich zurückkomme, steckt Bruno bereits im „Blaumann“ und nimmt den Ausgleichsbehälter der Wasserpumpe auseinander. Unser Frischwasser ist seit einigen Tagen orange-braun verfärbt. Er vermutet, dass der Gummibalg wieder ein Leck hat.
Und genau so ist es. Es ist schon das dritte Mal, dass wie dies haben. Die vielen Rüttelpisten scheuern den Gummi durch.
Provisorisch wird repariert. Hoffentlich finden wir in Ibarra Ersatz.
19. September 2025
Happy birthday Bruno
Und wir feiern unseren 41. Hochzeitstag. ❤️❤️
Die 12 Kilometer rund um die Lagune fallen Brunos Höhenangst zum Opfer. Soll mir recht sein. So marschieren wir nur bis zu der Stelle, an der es steil hinunter zum Wasser geht, machen ein paar Fotos und kehren dann wieder zurück.
Auf gehts zum
Monumento Mitad del Mundo
Das große Denkmal mit der Kugel obendrauf wurde in den 1930er–80er Jahren errichtet, basierend auf französischen Messungen des 18. Jh.
ABER: Es liegt etwa 240 m südlich der tatsächlichen Äquatorlinie.
Natürlich dürfen einige „Schnapsschüsse“ nicht fehlen.
Wir suchen das Museum mit der Sonnenuhr und den Darstellungen von Lavabos und Bidets, welches exakt auf der Äquatorlinie liegt. Irgendwie verfranzen wir uns,
haben was falsch im Kopf, werden heute aber nicht fündig. Gewitterwolken ziehen auf, also stellen wir uns zwischen zwei noch im Bau befindliche Häuser.
Zur Feier des Tages gibt es Spaghetti und eine gute Flasche Don David
20. September 2025
Ich stöbere auf unserer Homepage und werde fündig. Das Museo Solar Quisato, liegt 60 km nördlich von Quito, also los geht’s.
Heute ist Samstag, und wir hoffen auf wenig Verkehr. Die Autobahn führt uns westlich an Quito vorbei, auch hier geht es ständig nur hoch und runter. Die Gebühren von jeweils 2 Dollar sind mehr als angemessen. Man glaubt es kaum: Sogar auf den Autobahnen gibt es Lomos, die hier ‚Muro‘ genannt werden.
Museo Solar Quisato
Eine riesige Sonnenuhr (52 m Durchmesser) mit Linien für Äquinoktien, Solstitien und Tageszeiten ist hier der Mittelpunk.
Unser Handy bestätigt es: Wir stehen genau auf der Äquatorlinie – mitten auf der Welt.
Wusstest du, dass Lavabos, WCs und Bidets je nach Land auf ganz unterschiedlichen Höhen installiert sind? In Europa liegt die Sitzhöhe von Standard-WCs meist bei 40 bis 43 cm, Bidets ähnlich, während Lavabos oft zwischen 80 und 90 cm angebracht sind. In Nordamerika sind Toiletten oft etwas höher – 43 bis 48 cm –, was vielen Erwachsenen als bequemer gilt. In Asien, zum Beispiel in Japan, Korea oder China, gibt es sowohl traditionelle Hocktoiletten als auch moderne Sitztoiletten, sodass die Höhen stark variieren. Auch in Lateinamerika hängen die Maße von Region zu Region ab, meist irgendwo zwischen europäischem Standard und etwas niedriger.
Den Rundgang schließt der Besuch des Jardin de Agaves ab. Besonders beeindruckend sind die Höhen einiger Pflanzen – wie alt mögen sie wohl sein?
Wieder im PeMo geben wir Ibarra ein und düsen los. ChatGPT hat Bruno einen Laden herausgesucht, in dem wir einen Ersatz-Ausgleichsbehälter bekommen sollen. Wir fahren hin, und tatsächlich, Bruno findet genau das Gesuchte. Kurz noch bei Megamaxi vorbei, der Kühlschrank braucht Nachschub, dann weiter zu Hans in die Finca Sommerwind.
Wir staunen nicht schlecht – vieles hat sich verändert. Von Hans werden wir herzlich willkommen geheißen, und bei einem Glas Bier lassen wir die letzten zehn Jahre,
in denen wir uns nicht gesehen haben, Revue passieren. Viel ist geschehen, auf beiden Seiten!
Auch hat es einige Overlander hier, vertreten sind:
🇮🇪 Irland
🇩🇪 Deutschland
🇨🇭 Schweiz
🇧🇷 Brasilien
🇺🇸 USA
Wir werden hier einige Tage bleiben. Einiges ist zu erledigen.
24. September 2025
In Ecuador haben indigene Gemeinschaften mit neuen Protestaktionen begonnen. Heute zogen Demonstrierende in einem Protestmarsch zum Präsidentenpalast. Präsident Daniel Noboa reiste in der Nacht nach Otavalo, eine Hochburg der indigenen Bewegung, um Gespräche zu führen. Grund für die Proteste sind die stark gestiegenen Preise. Der Verkehr zwischen Ibarra, Otavalo und Quito ist weitgehend lahmgelegt. Seit heute gibt es weder Diesel noch Gas.
Wir sind hier auf der Finca Sommerwind gut aufgehoben. Essen gibt es genug, genauso wie Gesprächsstoff unter den Reisenden. Auch Reparaturen, die erledigt werden müssen, stehen an. Dazu der tägliche Morgenlauf! Langweilig wird es hier nicht.
25. September 2025
Straßenlage: Mehrere Blockaden durch indigene Gruppen (v. a. CONAIE) wegen des Wegfalls der Diesel-Subvention. Hauptachsen in und um Ibarra, Otavalo, Cotacachi und ländliche Verbindungen sind betroffen.
Verkehr: Teilweise kein Durchkommen, auch Ambulanzen hatten Probleme.
Versorgung: Treibstoffknappheit (besonders Benzin extra und Diesel). Tankstellen mit langen Schlangen oder geschlossen.
Wirtschaft: Geschäfte, Hotels, Gastronomie schränken Betrieb ein; Veranstaltungen abgesagt oder verschoben.
Sicherheit: Marschbewegungen in Ibarra selbst, erhöhte Anspannung; viele Bewohner bleiben zuhause.
Hier auf der Finca Sommerwind sind wir nach wie vor seht gut aufgehoben. Heute gibt es gegen Abend eine Gegendemo, da in Ibarra gar nichts mehr geht.
Hans informiert uns (fast) stündlich was abgeht, was natürlich super ist.
Ein BBQ wird organisiert.
Was ist der Unterschied zwischen Jung und Alt?
Zum Schluss noch Tanzunterricht.
27. September 2025
Anscheinend ist die Panamericana Richtung Norden wieder offen. Reisende, die vorgestern oder gestern aus Europa in Quito eingetroffen sind, sollten heute ankommen. Dann gibt es Neuigkeiten direkt von Betroffenen. Wenn alles normal läuft, fahren wir morgen zur Grenze hoch.
Unsere Tage verlaufen gemütlich: Sport, Frühstück, Quatschen, Essen und zwischendurch ein bisschen werkeln.
28. September 2025
Die Europäer sind in Otavalo stecken geblieben. Hans informiert uns fast stündlich über die Ereignisse. Heute gab es bei den „Gegendemo“ einen Toten. Nun kommt der Präsident mit dem Militär nach Ibarra, wir sind gespannt, was er ausrichten kann.
29. September 2025
Letzte News: Die Panamericana in Richtung kolumbianische Grenze soll problemlos befahrbar sein. Also verabschieden wir uns und machen uns auf den Weg.
Ohne Probleme kommen wir voran. Auffällig sind nur die langen Warteschlangen vor den Tankstellen. Treibstoff ist zurzeit Mangelware, jeder erhält nur für 15 Dollar.
Gegen vierzehn Uhr stehen wir bei der Migration, fünf Minuten später bei der Aduana, und nur zehn Minuten danach fahren wir über die Brücke nach Kolumbien.
Adiós, Ecuador, nunca volveremos.
Wir haben viel ausgelassen, waren wir doch schon zum dritten Mal hier. Verändert hat sich nichts. Lagune bleibt Lagune, Vulkan bleibt Vulkan. Die Brillenbären haben wir bewusst ausgelassen, wir haben keinen bock, Tiere mit dem Feldstecher zu beobachten nur um sagen zu können; "ja wie haben sie gesehen."
Wir haben vieles ausgelassen, schließlich ist es schon unser drittes Mal hier. Geändert hat sich ohnehin nichts: Eine Lagune bleibt eine Lagune, ein Vulkan bleibt ein Vulkan. Und die Brillenbären? Haben wir bewusst ausgelassen. Wir hatten wirklich keinen Nerv darauf, mit dem Feldstecher, in 500 m Entfernung ins Gebüsch zu starren, nur um am Ende sagen zu können: „Ja, wir haben sie gesehen.“
Und weiter geht es in Kolumbien. Hoffentlich erleben wir hier keine Bloqueos oder Streiks.